2. November 1999

IG Medien verurteilt Tarifflucht bei der "Sächsischen Zeitung"

Die SPD als Minderheitsgesellschafter trägt die Pläne das Mehrheitsgesellschafters Gruner+Jahr offenbar mit

Die IG Medien hat heute (2. November) in scharfer Form den Versuch der 60-prozentigen Gruner+Jahr-Tochter "Sächsische Zeitung" verurteilt, sich durch Ausgründungen sukzessive aus der Tarifbindung zu lösen. Der Verlag der Sächsischen Zeitung plant, bereits in den nächsten Tagen sechs Lokalredaktionen und -geschäftstellen aus dem Stammhaus auszugliedern und als drei formalrechtlich selbständige "Regionalverlage" zu organisieren. Dort sollen dann in Zukunft für die Verlagsangestellten und die Redakteurinnen und Redakteure keine tariflichen Ansprüche mehr bestehen. Wenn es der "Sächsischen Zeitung" - gegen den Widerstand der Belegschaft - gelingt, sich mit den Plänen durchzusetzen, wird die Ausgliederung der übrigen 13 Lokalredaktionen und weiterer Verlagsbereiche wohl nur eine Frage der Zeit sein.

Neben dem Verlust der Tarifbindung hätte die Ausgründung auch eine gravierende Ver-schlechterung für die Arbeit der Betriebsräte zur Folge. Statt einer einheitlichen, starken Interessenvertretung für die rund 750 Beschäftigten würde es künftig in den "Regionalverlagen" nur noch Kleinstbetriebsräte geben, denen unter anderem die Freistellungsmöglichkeiten fehlen, um eine effektive Arbeit für die Beschäftigten leisten zu können.

"Es ist skandalös, wenn sich ausgerechnet einer der bestverdienenden Großverlage als Mehrheitsgesellschafter solcher Methoden bedient, um auf Kosten der Belegschaft Extra-profite zu machen", sagte Manfred Moos vom Hauptvorstand der IG Medien. Der Konzern Gruner+Jahr habe nach Presseberichten im vergangenen Geschäftsjahr einen Gewinn von 616 Millionen DM, gemacht, das "Dresdner Druck-und Verlagshaus" (DD+V), in dem die "Sächsische Zeitung" erscheint, allein 24 Millionen DM.

Fassungslos sei die Gewerkschaft aber darüber, dass auch die Sozialdemokratische Partei Deutschlands als Minderheitsgesellschafter (die SPD hält über die Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft, DDVG, 40 % der Gesellschafteranteile) die Ausgliederungspläne mitträgt. "Die SPD kennt offenbar bereits seit Monaten die Pläne. Erst ihre Zustimmung hat den Weg für die Zerlegung des Unternehmens und damit für die Tarifflucht freigemacht," kritisiert Moos. Eine Teilnahme an einer Mitgliederversammlung der IG Medien in Dresden zum Thema Ausgliederung lehnte die SPD nach Angaben der IG Medien rundweg ab.

In einem Schreiben vom 22. Oktober an den sächsischen DGB hatte das Büro der SPD-Schatzmeisterin Inge Wettig-Danielmeier zwar mitgeteilt, dass nach Auffassung der DDVG die Gespräche über die Ausgliederung mit dem Betriebsrat "konsensual" zu führen sein. Diese Haltung ist aber offenbar nicht in Dresden angekommen. Die Geschäftsführung der Sächsischen Zeitung verkündete gestern trotz Widerspruchs des Betriebsrats und der Belegschaft, die Ausgliederung stehe unmittelbar bevor.